Thüringen wird zum Problemfall der CDU. Könnte man vereinfacht sagen. Aber eigentlich ist es komplizierter, denn es wird zum Problemfall für die ganze demokratische Ordnung innerhalb Deutschlands.

Man kann sich getrost die Frage stellen: Ist es eine Zusammenarbeit mit der AfD oder keine klassische Zusammenarbeit mit der AfD? Wahrscheinlich kann man beides mit Ja oder Nein beantworten. Die Vorwürfe einer offensichtlichen Zusammenarbeit mit der AfD sind natürlich nicht hinreichend belegt. Solange es keine klaren Aussagen dazu gibt, dass Gespräche stattgefunden haben, kann man nur spekulieren. Diese Spekulationen werden natürlich davon genährt, dass eigene Punkte zugunsten der Abstimmung über die Grundsteuer zurückgenommen wurden. Knallharte Zusammenarbeit? Vielleicht gemeinsames Paktieren. Vielleicht.

Auf der anderen Seite ist schon was dran, wenn man sagt, man könne ja nichts für das Abstimmverhalten der AfD. Das ist sogar ziemlich viel dran, aber in diesem konkreten Fall auch etwas zu kurz gedacht. Wenn man damit eigentlich bezwecken wollte einer links-grünen Regierung zu zeigen wo der Hammer hängt, erst recht. Da dieses Verhalten der Stabilität wenig dienlich ist und eher einem Hasardeur gleichkommt. Staatspolitisch ist dieses Handeln sicher nicht.

Am Ende steht nämlich ein prognostiziertes Haushaltsloch von 48 Millionen Euro auf dem Papier. Und das ganze ohne Gegenfinanzierung. Es ist nur eine Frage der Zeit das Kürzungen im Haushalt stattfinden müssen. Die Frage ist nur wo. Wird es am Ende wie so oft in letzter Zeit Bildung und Soziales sein? Steuerentlastungen sind sicher ein ehrwürdiges Anliegen, aber dann bitte mit einer entsprechenden Gegenfinanzierung, mit der es nicht zu Kürzungen kommt. Spätere Kürzungen können die Lage im Land verschlechtern. Und nach eigener Aussagen der AfD gilt: Je schlechter es dem Land geht, desto besser geht es der AfD. Im schlimmsten Fall ist diese Steuersenkung also ein Konjunkturprogramm für die AfD.

Und da ist eben noch der andere Grundsatz. Die AfD wird dadurch weiter normalisiert. Sie brauchte sich in diesem Fall ja gar nicht mal mehr anzustrengen. Sie lehnt sich zurück, stimmt einem Antrag zu und kann von sich selbst behaupten, die CDU sei endlich vernünftig, die Brandmauer fällt, es sei ein endlich nötiger Entschluss der CDU gewesen. Das ist zu einfach, wenn man eine rechtspopulistische bis rechtsradikale Partei aus den Parlamenten haben möchte. Man kann nur hoffen, die Union denkt nicht, dass sie die AfD zähmen bzw. im Zaum halten kann. Am Ende wird es für die AfD immer einfacher werden sich weiter zu normalisieren.

Auf der anderen Seite kann man sicherlich sagen, dass wenn man immer auf die Abstimmung der AfD schaut, dann ist dies ein Pakt mit dem Teufel. Aber man wird damit sehr schnell merken, dass dies irgendwann nach hinten losgehen wird. Die AfD wird dann anfangen für alle möglichen Gesetze zu stimmen. Egal von welcher Partei. Dann ist das ja auch eine Abstimmung mit dem Teufel. Das ist genauso gefährlich, da es der AfD unnötig Macht und Hoheit über Abstimmungen gibt. Eine Absprache der demokratisch verwurzelten Parteien ist also nötiger denn je.

Aber es ist nicht nur allein die CDU. Auch die FDP trägt hier ihre Verantwortung. Anders als es ihr Parteichef noch verlauten ließ. Die FDP in Thüringen scheint zum zweiten Mal das rechte Auge zuzudrücken. Es ist am Ende eine lahme Entschuldigung des Bundesvorsitzenden. Die FDP muss ja nicht für den Antrag der CDU stimmen. Eine Enthaltung hätte gereicht. Aber das Stichwort Steuersenkung lässt wahrscheinlich bei manchen Liberalen automatisch die Hand für das Ja zu heben. Man kann sich eben nicht einfach aus der Verantwortung stehlen, es sei ja der Antrag der Union gewesen. Man trägt auch immer noch Eigenverantwortung dafür, wofür man am Ende (mit-)stimmt. Immerhin lässt die Juli-Vorsitzende durchblicken, dass sie eine Mitverantwortung der FDP sieht und sagt folgerichtig: „Bürgerliche Politik muss ohne die AfD gemacht werden.“

Auf der anderen Seite muss man sich in Thüringen auch ehrlich machen, dass dort eine Konstellation herrscht, die solche Situationen erst möglich macht. Eine Minderheitsregierung steht immer vor dem Problem sich eine Mehrheit zu beschaffen. Einerseits wird die Regierungsarbeit erschwert, andererseits bietet dies besten Stoff für die AfD sich weiter zu normalisieren. Gerade mit solchen Aktionen. Gerade mit Hilfe der Union, die sich vor den Karren der AfD spannen lässt. Und da muss man der Union nicht mal Absicht unterstellen. Zumindest ist es fahrlässig. Auf der anderen Seite muss die Regierung eventuell mehr Zugeständnisse machen als ihr lieb ist, um die AfD auch nicht noch weiter mit zu normalisieren.

Denn wir erleben gerade genau das. Und die AfD muss dafür nicht mal viel machen. Die Union trägt sicher einen Hauptanteil an dem Schlamassel. Die Einschnitte muss die Regierung ausbaden und es wäre ein weitaus mehr als unehrlicher Zug, die momentane Minderheitsregierung für Kürzungen im Haushalt verantwortlich zu machen. Das Problem ist von der Opposition verursacht. Das widerspricht auch ehrlicher und guter Oppositionsarbeit. Sie soll die Regierung unterstützen, maßregeln, aber nicht fahrlässig in Nöte bringen.Vor allem Nöte, die wiederum ein Konjunkturprogramm für die AfD sein könnte.

Am Ende ist es auch wieder zu einfach, die Union als alleinigen Buhmann hinzustellen. Es ist auch Aufgabe der Linken, Grünen und der SPD nicht nur mit dem Finger auf die Union zu zeigen. Es wird sicher nicht einfach sein, aber man muss sich klar machen, ohne Union und FDP wird man nicht Herr der AfD werden. Im Gegenteil. Das wird viel Kosten wie unliebsame Zugeständnisse, aber das sollte einem unsere freiheitlich, demokratische Ordnung schon Wert sein. Hier muss sich aber auch die Union gerade machen und zeigen, wie ernst sie es mit der Brandmauer meint. Wobei diese momentan eher ein kleines Mäuerlein zu sein scheint, sofern es diese überhaupt noch gibt.

In Thüringen haben wir nun die Bringschuld aller Parteien gegen die AfD mit ihren möglichen Mittel vorzugehen, damit am Ende die AfD wieder an Zuspruch verlieren wird. Der Weg dorthin ist nicht einfach. Er ist mit viel Verantwortung der Parteien gesäumt.

Wenn man in Thüringen so weiter machen wird, werden alle am Ende verlieren nur eine wird gewinnen: die AfD.